Wie Vorurteile entstehen: eine Fabel

Eine wunderschöne Geschichte über eine menschliche Eigenart, die Welt wahrzunehmen stammt von Paul Watzlawik. Der österreichische Psychotherapeut, Soziologe und Kommunikationswissenschaftler hat damit mit zwinkerndem Auge ein Bild gezeichnet, in dem sich viele von uns wiedererkennen werden. Bei der “Geschichte mit dem Hammer”, wie die Fabel in die Kommunikationswissenschaft einging, geht es um Vorurteile und deren Entstehung. Und so geht sie:

Ein Mann möchte in seinem Wohnzimmer ein Bild aufhängen. Er sucht die entsprechenden Utensilien und findet den Nagel, nicht aber einen Hammer. Weil er weiß, dass sein Nachbar einen Hammer besitzt, beschließt er hinüber zu gehen, zu klingeln und sich diesen auszuleihen. Er ist gerade auf dem Weg, als ihm ein Gedanke kommt, der ihn kurz innehalten lässt. “Was ist, wenn der liebe Herr von gegenüber das Werkzeug nicht leihen möchte?” Ihm kommt eine flüchtige Szene in den Sinn, als der Nachbar ihn im Treppenhaus jüngst nur sehr flüchtig gegrüßt hatte. “Okay, vielleicht war er in Eile” denkt der Mann bei sich. Andererseits bestehe auch die Möglichkeit, dass die Eile nur vorgetäuscht war, da dieser tatsächlich etwas gegen ihn habe. “Was aber soll das sein?” sinniert der Mann. In seinem Kopf rasen die Gedanken hin und her: “Ich habe ihm doch nichts getan. Das ist doch Quatsch, etwas gegen mich zu haben. Der bildet sich das einfach nur ein.” Der Mann wird immer angespannter ob der angenommenen ‘Antipathie’ des Nachbarn. Bei sich denkt er: “Verflixt, also wenn von mir jemand einen Hammer borgen wollte – beinahe egal, was ich von ihm halte – ich würde das Werkzeug sofort rausrücken. Warum auch nicht?

“Aber was ist mit diesem seltsamen Nachbarn? Bildet sich da irgendas ein und leiht aufgrund absurder Vermutungen einfach nichts her?!” Wie könne der Typ eigentlich nur so vermessen sein und einem Anderen – ihm auch noch faktisch wohl Gesonnenen –  so mir-nichts-Dir-nichts einen so einfachen Gefallen ausschlagen? “Es sind genau diese Leute, die eine Gesellschaft belasten und das Miteinander zwischen Menschen vergiften.” Das Härteste sei, so denkt der Mann weiter, dass der Nachbar tatsächlich zu glauben scheint, dass er auf ihn angewiesen sei. “Pah! Mitnichten!” flucht der Mann vor sich hin. Dieser scheiß Hammer, soll er ihn sich doch sonst wo hin schieben. “Jetzt ist es genug” murmelt er vor sich hin. So rennt der Mann durch den Hausgang, klopft wie wild an der Tür des Nachbarn. Als die Tür sich öffnet und die Blicke der Männer sich treffen, brüllt er den Nachbarn herrschend an: “Dann behalten Sie ihn doch, Ihren scheiß Hammer”.

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